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FAQ zum Dritten Bevölkerungsschutzgesetz

Darf die Bundesregierung aufgrund des neu gefassten Bevölkerungsschutzgesetzes Gesetze und Verordnungen zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie künftig zeitlich und inhaltlich unbegrenzt erlassen?

Nein. Nur die jeweiligen Länder können Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen erlassen. Die Vorschriften sind zu begründen und zeitlich auf vier Wochen zu befristen. Die Befristung von Maßnahmen auf eine kürzere Zeit ist schon deshalb nicht praktikabel, da sich die Wirksamkeit vom Maßnahmen frühestens nach einer Zeitspanne von mind. 14 Tagen, eher nach Ablauf von 3 Wochen zeigt. Zusätzlich ist ein Zeitvorlauf für eine Analyse und für die Kodifizierung der zu justierenden Maßnahmen erforderlich.

Der Deutsche Bundestag kann diese Vorschriften als Gesetzgeber jederzeit per Gesetz ändern. Sämtliche Maßnahmen auf Grundlage der epidemischen Lage enden automatisch am 31. März 2021 oder wenn der Deutsche Bundestag die epidemische Lage davor für beendet erklärt.

Das neue Gesetz gibt den Landesregierungen auch keine unbegrenzten Handlungsvoll-machten. Die Landesparlamente sind jeweils zur Entscheidung befugt und berufen. Im neu-en § 28a Abs. 5 IfSG wird geregelt, dass alle Maßnahmen der Länder zu begründen und zeitlich zu begrenzen sind. Die Möglichkeiten der Maßnahmen der Länder werden begrenzt durch die im neuen § 28a IfSG konkret aufgelisteten Schutzmaßnahmen und auch weiterhin durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Werden Grundrechte durch das neuen Gesetz abgeschafft?

Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf enthält keinerlei Regelung zur Abschaffung von Grundrechten. Wie bei allen Maßnahmen des Staates, die die Grundrechte der in Deutschland lebenden Menschen durchaus berühren (können), müssen die Verhältnismäßigkeit gewahrt und „soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit“ berücksichtigt werden.

Grundrechte werden durch dieses Gesetz jedoch eingeschränkt. Im Grundgesetz Artikel 19 Abs. 1 heißt es: "Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen". Beides ist im Falle des vorliegenden Gesetzes der Fall. Dort werden in Artikel 7 jene Grundrechte genannt, welche - zeitlich begrenzt - eingeschränkt werden. Insofern ist dieses Vorgehen, anders als derzeit vielerorts behauptet, absolut mit dem Grundgesetz vereinbar.

Werden dem Bundesgesundheitsminister durch das neue Bevölkerungsschutzgesetz uneingeschränkte Vollmachten zum Erlass von Rechtsverordnungen und grund-rechtsbeschränkenden Maßnahmen erteilt?

Nein. Die Länder sind auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dazu befugt, Schutzmaßnahmen zu erlassen (§ 28 IfSG). Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden diese Befugnisse im neuen § 28a IfSG präzisiert und klarer gefasst. So ist unter anderem in § 28a Abs. 1 ein Beispielkatalog von Maßnahmen aufgeführt. Beschränkungen von Versammlungen und religiösen Zusammenkünften, Ausgangsbeschränkungen, Betretungsverbote für Altenheime etc. dürfen nur unter besonderen Voraussetzungen verfügt werden. Zudem werden in Abs. 3 Schwellenwerte für die Intensität der Schutzmaßnahmen verankert. Sofern Verordnungsbefugnisse für das Bundesgesundheitsministerium bestehen, existieren diese nur in einem sehr eingeschränkten Bereich und nur so lange, wie eine epidemische Lage gegeben ist. Dem Deutschen Bundestag ist es zudem jederzeit möglich, höherrangiges Recht zu verabschieden. Uneingeschränkte Befugnisse existieren nicht.

Hat der Deutsche Bundestag sich am Verfahren der Corona-Bekämpfung bislang nicht ausreichend beteiligt?

Der Deutsche Bundestag hat sich von Beginn des Pandemiegeschehens an gesetzgeberisch mit der Corona-Bekämpfung beschäftigt, insbesondere durch die Verabschiedung der ersten beiden Bevölkerungsschutzgesetze und zahlreicher Hilfspakete. Der Bundestag hat rund 30 Corona-Gesetze beschlossen und ca. 70 Debatten geführt.

Werden dem Freistaat Sachsen und dem Landesparlament durch das jetzige Eilver-fahren im Bundesrat entscheidende Rechte abgeschnitten?

Nein. Wegen der Eilbedürftigkeit wurde eine Sondersitzung des BR für den 18.11.2020 an-gesetzt. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz (als Fraktionsinitiative) in 2./3. Lesung am 18. November 2020 abschließend beraten und dem Bundesrat zur Entscheidung am gleichen Tag zugeleitet. Eine Behandlung des im Bundestag initiierten Gesetzesentwurfes war zwar in den BR-Ausschüssen aus Zeitgründen nicht möglich. Die Länder waren jedoch informell in vorgelagerten Vermittlungsgesprächen beteiligt und haben wesentliche Punkte beeinflussen können. Sie haben in diesem Rahmen u.a. erreicht, dass in § 28 a Abs. 7 InfSG eine der Feststellung des Bundestages entsprechende landesrechtliche Feststellung einer epidemischen Lage durch eine nach Landesrecht dafür bestimmte Stelle Grundlage der Schutzmaßnahmen ist. Damit wird es den Ländern ermöglicht, auch auf epidemische Lagen zu reagieren, die nicht bundesweit auftreten. In § 28 a Absatz 3 InfSG wird die Infektionsdynamik als Maßstab für die Anordnung von Maßnahmen genannt. Der Freistaat Sachsen hat sich dafür eingesetzt, dass in § 28 a Abs. 7 InfSG ergänzend andere Maßstäbe einbezogen werden können.

Warum muss der Landtag eine Zustimmung oder Ablehnung Sachsens im Bundesrat nicht beschließen?

Eine Bindung der Regierung per Parlamentsbeschluss zu ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat ist verfassungsrechtlich unzulässig (siehe u.a. BVerfG 1, 397 (394), Reuter BR-Handbuch, Art. 51 GG Rz.62 ff zur Stellung der Landesparlamente).

Das 3. BevSG zielt gerade darauf ab, verfassungsrechtliche Zweifel an einer Rechtsgrundlage gegen die COVID-19-Schutzmaßnahmen zu entkräften, indem etwa speziell zu COVID-19 eine neue Rechtsgrundlage in § 28 a InfSG geschaffen wird. Eine Ablehnung des 3. Be-vSG würde dazu führen, dass eine wesentlich schlechtere Rechtssituation dann fortgelten würde.

Wieso kann es nicht beim Infektionsschutzgesetz in der alten Fassung bleiben?

Das bisher geltende Gesetz ist nicht auf eine solche dauerhafte pandemische Lage von nationaler Tragweite ausgerichtet, wie wir sie aktuell erleben. Daher ist es richtig, das Infektionsschutzgesetz weiterzuentwickeln. Dass das Gesetz in geänderter Fassung vom Bundestag neu beschlossen wird, verbessert zudem Transparenz und Legitimation.

Wird durch das neue Gesetz der Begriff der epidemischen Lage nationaler Tragweite hinreichend rechtssicher definiert?

Ja. Im 3. Bevölkerungsschutzgesetz wird in § 5 IfSG eine Definition der epidemischen Lage gesetzlich verankert. Eine solche liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil:

  • die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder
  • eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.

Mit einem entsprechenden Antrag wird der Deutsche Bundestag feststellen, dass eine solche Lage derzeit weiterhin besteht.

Wird mit dem Gesetzentwurf eine Impfpflicht und ein Covid-Immunitätsausweis durch die Hintertür eingeführt?

Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen zu einer Impfpflicht oder einem Immunitätsausweis.

Die Ministerpräsidenten haben die Ablehnung einer Impflicht in ihrem Beschluss am 16.11.2020 noch einmal festgestellt. Neu eingeräumt wird lediglich die Möglichkeit für Einreisende aus Risikogebieten, neben einem negativen Test auch einen Impfnachweis vorzuhalten.

Waren die bisherigen durch die sächsische Staatsregierung ergriffenen Maßnahmen zu restriktiv?

Die Staatsregierung hat sich bei den bislang getroffenen Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie eng an den wissenschaftlichen Erkenntnisse und Empfehlungen des RKI orientiert. Der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern, der insbesondere als Kriterium herangezogen worden ist, ist nicht „willkürlich“, sondern bildet die Leistungsgrenze des öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Kontaktverfolgung ab, wie sich in diesen Tagen unwiderlegbar zeigt.

Die Inzidenz ist eine etablierte Kennzahl für die Einschätzung einer Pandemielage. Alle Krankheiten werden epidemiologisch so angegeben. Sie ist auch das geeignetste Kriterium, um die Lage einzuschätzen. Es ist nicht das einzige, aber es zeigt am besten, mit welcher Entwicklung in den folgenden Wochen zu rechnen ist. Eine Positivquote lässt keinen direkten Rückschluss auf die Bedrohungslage zu und ist als politischer Handlungsmaßstab ungeeignet, weil die absolute Gesamtzahl der betroffenen Personen und damit die Dimension der Lage unklar bleibt.

Die Maßnahmen der Staatsregierung haben sich auch an der jeweiligen Dynamik der Lage ausgerichtet. Da das Infektionsgeschehen sowohl in verstärkender als auch in abnehmender Hinsicht extrem dynamisch verläuft, müssen die Maßnahmen demensprechend schnell intensiviert und gelockert werden können. Die SächsCoronaschutz-VO wurde deshalb seit Februar 2020 12mal geändert. Der internationale Vergleich der Infektionszahlen zeigt, dass Deutschland vor allem wegen seiner überdurchschnittlichen raschen Reaktionen glimpflich durch die Pandemie und – wesentlich besser als viele andere Staaten – mit Covid-19 um-gegangen ist. Der internationale Vergleich macht auch deutlich, dass die Staaten wirtschaftlich besonders gut durch die Krise kommen, die ein besonders niedriges Infektionsgeschehen haben. Für die Staatsregierung bleibt es auch aus ethischen Gesichtspunkten maßgebliches Ziel, hohe Infektionszahlen und vermeidbare schwere Gesundheitsrisiken mit allen Mitteln zu vermeiden.