Diplomatische Bemühungen
Ein häufiger Vorwurf von Menschen, die die Waffenlieferungen ablehnen, lautet, Deutschland befördere damit eine Eskalation. Dem möchte ich entgegensetzen, dass mit den Waffenlieferungen keineswegs die diplomatischen Bemühungen eingestellt wurden. Es existiert weiterhin eine deutsche Botschaft in Moskau, die unverändert aktiv ist. Mit dem Besuch unserer Außenministerin Annalena Baerbock in Kiew wurde auch die Wiedereröffnung der dortigen deutschen Botschaft verkündet. Deutschland ist also in beiden Ländern diplomatisch vertreten und hält die Gesprächskanäle offen.
Ich möchte den Aspekt der gegenseitigen Gespräche aber noch eine Ebene höher heben. Ich denke, dass dieser Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden kann. Die Ukraine wird Russland – auch mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft von außen – militärisch voraussichtlich nicht besiegen können. Wir werden darauf angewiesen sein, dass ein oder mehrere Staaten eine Vermittlerrolle einnehmen. Die ersten Versuche wurden bereits unternommen. Hochrangige Politiker sind seit Beginn des Krieges mit Wladimir Putin im direkten Gespräch gewesen. Im Fall des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett oder Bundeskanzler Olaf Scholz waren das ausführliche Telefonate. Aber es gab auch bereits persönliche Besuche. „ Österreich als neutrales Land kann als ‚Brückenbauer‘ auftreten“, sagte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer bevor er nach Moskau fuhr. Vorher hatte er bereits Kiew besucht und stand bezüglich der Reise im engen Austausch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und auch unserem Bundeskanzler. Ob das kleine Österreich die dafür notwendige Kraft ausstrahlen kann, sei dahingestellt. Aber der Versuch zählt. Es hilft uns nicht weiter, jeden zu verurteilen, der solcherlei Reisen unternimmt. Wir werden sie brauchen. Auch Papst Franziskus hat sich als Vermittler angeboten. Mit dem Moskauer (russisch-orthodoxen) Patriarchen Kyrill I., der den Angriffskrieg Putins unterstützt, hatte der Papst ein Videogespräch geführt. Bis zum heutigen Tag lässt der russische Präsident aber scheinbar jeden Gesprächsversuch an sich abprallen.
Dennoch dürfen wir unsere Bemühungen nicht zurückfahren, sondern müssen aktiv Friedensförderung betreiben. Ich bin der festen Überzeugung, dass es in der aktuellen Situation kein Widerspruch an sich ist, gleichzeitig Waffen zu liefern aber dennoch am Frieden zu arbeiten. Das christliche Menschenbild in unserer Partei ist dafür eine starke Grundlage. Auch ein russischer gefallener Soldat hinterlässt eine Familie in tiefer Traurigkeit. Wir trauern um die Opfer des Krieges, stehen fest auf der Seite des Rechts und der territorialen Selbstbestimmung und sind bereit Verantwortung zu übernehmen. Momentan sprechen die Waffen und es scheint keine andere Möglichkeit zu geben, als auf diese Weise zu antworten. Doch sobald sich das Zeitfenster öffnet, muss Deutschland mit all seiner diplomatischen Macht und Führungsstärke handeln! Deutschland ist die größte Wirtschaftsmacht in Europa und hat sich mit Angela Merkel ein außergewöhnliches internationales Standing erarbeitet. Hier muss die Bundesregierung anknüpfen und mit ihren Partnern, sei es in Europa, in der NATO oder über den Atlantik hinaus agieren.
Das Thema deutscher Waffenlieferungen für die Ukraine wurde und wird sehr kontrovers und emotional diskutiert.